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Wer nicht akut gefährdet ist, muss in der Regel auf eine Abklärung oder Therapie warten. Ein neues Angebot soll Eltern und Jugendlichen helfen, die Zeit dazwischen aktiv zu nutzen.

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Psychische Probleme von Kindern und Jugendlichen sollten möglichst schnell abgeklärt werden, darüber sind sich alle einig. Doch die Zahl der Hilfesuchenden wächst und lässt die Ambulatorien der psychiatrischen Einrichtungen an ihre Kapazitätsgrenzen geraten. Dies führt dazu, dass Kinder und Jugendliche, die nicht akut gefährdet sind, einige Wochen bis Monate auf eine Abklärung und Behandlung warten müssen. «Unsere Einrichtungen sind voll ausgelastet, neue innovative Ideen sind gefragt», sagt Maurizia Franscini. Um den Betroffenen die Wartezeit zu verkürzen, haben sie und und Chefarzt Gregor Berger an der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie zwei Überbrückungsangebote organisiert: eines für Eltern und eines für Jugendliche.

Eltern unterstützen, Notfälle verhindern

Das Angebot befindet sich derzeit im Aufbau und wird ab Anfang April für Eltern angeboten, deren Kinder auf der Warteliste für eine psychiatrische Behandlung stehen. Anhand der Zuweisungsinformationen kategorisieren Expertinnen und Experten der Kinder- und Jugendpsychiatrie die Beschreibungen, um entsprechende Elterngruppen zu bilden: «Wir machen dies symptomspezifisch, zum Beispiel bündeln wir internalisierende Symptome wie Ängste und Depressionen oder externalisiertes Verhalten wie Impulsivität und Hyperaktivität», sagt Franscini.

«Wenn uns an der Gesundheit der Gesellschaft etwas liegt, müssen wir Hilfsangebote schaffen, die sofort greifen.»

An Veranstaltungen, die von zwei Fachexpertinnen und -experten geleitet werden, erfahren die Eltern, wie sie ihr Kind unterstützen können. «Wir wollen auch den Erfahrungsaustausch fördern, die teilnehmenden Eltern sollen sich gegenseitig helfen können», ergänzt die Psychiaterin. Bis ein Therapieplatz frei wird und eine treffende Diagnose und Therapie gefunden ist, sollen die Eltern dank diesem Angebot zwischenzeitlich befähigt werden, mit den Problemen der Kinder und Jugendlichen besser umzugehen und kleine Veränderungen gemeinsam mit ihren Kindern umzusetzen.

Das Angebot für Eltern soll diese bei den psychischen Schwierigkeiten ihrer Kinder unterstützen und so eine Notfallbehandlung verhindern. «Wenn uns an der Gesundheit der Gesellschaft etwas liegt, müssen wir Hilfsangebote schaffen, die vorbeugen», sagt Franscini. Die meisten psychischen Erkrankungen nehmen ihren Beginn in der Adoleszenz, so die Psychiaterin. Je länger sie unbehandelt bleiben, desto schwieriger die Therapie. «Wir wissen, dass das Verhalten der Eltern deeskalierend wirken kann, – unabhängig davon, welche Diagnose im Nachhinein gestellt wird.»

Online-Hilfe für Jugendliche

Gregor Berger geht in Kollaboration mit Eva Anna Richterich und ihrem Team von «gomental» – einem prämiertes Start-up Unternehmen –neue Wege. Gomental erhielt im Jahr 2023 den Swiss Diversity Awards in der Kategorie «Age». Gregor Berger und Maurizia Franscini entwickelten gemeinsam mit Eva Richterrich und ihrem Team von Go Mental ein Pilotprojekt unter dem Namen STABIL. Damit wird Jugendlichen, die auch auf unseren Wartelisten stehen, die Möglichkeit gegeben, rasch Unterstützung zu erhalten. Jugendliche mit ähnlichen Problemen treffen sich virtuell unter Beisein jeweils einer Therapeutin oder eines Therapeuten sowie einer weiteren Person, einem sogenannten Peer, der selbst eine psychische Erkrankung erlebt hat und genesen ist.

In fünf begleiteten und zwei unbegleiteten Gruppensitzungen lernen die Jugendlichen besser mit ihren Problemen umzugehen. Die Gruppengespräche sollen ihnen auch helfen, leichter mit ihren Emotionen umzugehen, sie sollen die Selbstbestimmung fördern und die oft unsicheren Jugendlichen in ihrer Selbstwirksamkeit stärken. So erhalten sie hilfreiche Inputs, erleben positive Beziehungen mit anderen Jugendlichen und erlernen Skills, die sie darin bestärken, den Alltag positiv zu gestalten, bis sie an einer Therapie teilnehmen können.

Die Online-Gesprächsgruppen werden seit Januar 2024 unter dem Namen «Projekt Stabil» und in Zusammenarbeit mit dem Startup «gomental» angeboten.

Mehr Fälle und komplexere Diagnosen

«Insgesamt haben die Fallzahlen und die Komplexität der Fälle in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren zugenommen», bilanziert die Psychiaterin und ergänzt, dass auch das Alter der Patientinnen und Patienten sich verschoben hat: «Heute kommen bereits sehr junge Kinder aufgrund von suizidalen Gedanken oder gar suizidalen Handlungen in die Klinik.»

Ein Teil der Kinder und Jugendliche erscheinen verletzbarer als früher. Mögliche Gründe dafür sind der Druck durch die gesellschaftliche Situation, die politische Lage, die ökologische Unsicherheit und der oft nicht ausreichend geschützte Zugang zu den Sozialen Medien, resümiert Franscini. Sie macht das am Beispiel Mobbing fest, das heute sowohl online als auch auf dem Schulhof stattfinde. Wenn Kinder und Jugendliche systematisch und über einen längeren Zeitraum ausgegrenzt, beleidigt, erpresst oder gedemütigt werden, kann das gravierende psychische Folgen haben. In der Zeit vor Internet und Social Media war es möglich, sich zu distanzieren – einmal zuhause, konnten die Kinder das Geschehene vielleicht für eine gewisse Zeit vergessen. Heute jedoch ist das Handy stets in Griffnähe. So gehen Mobbing im realen Leben und im Internet oft ineinander über – mit den entsprechenden psychischen Folgen.

Text: Marita Fuchs

Weiterführende Informationen:

Mehr über unsere Angebote der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie.

«Projekt Stabil» – das Online-Angebot für Jugendliche: https://gomental.health/
(Eva Anna Richterich, Rivka Wyler, Natalie Heeb, Michelle Zehnder, Gregor Berger, Laura Del Favero, Joëlle Thélin, Maurizia Franscini, Nadia Pernollet (Ioanna), Karin Andrea Stephan und Christoph Moser)

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