Die Forschung der letzten Jahre trägt Früchte: Die Psychiatrische Universitätsklinik Zürich bietet Therapien mit Psilocybin an für Erwachsene, die an einer schwer zu behandelnden Depression erkrankt sind. Oberarzt Johannes Jungwirth gibt Einblicke, wie eine solche Therapie abläuft.
Dr. Johannes Jungwirth zu Therapien mit Psilocybin an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich
Depressionen gehören zu den weltweit häufigsten Krankheiten. «In vielen Fällen ist eine Depression sehr gut behandelbar», sagt Johannes Jungwirth, Oberarzt an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich. Aber: «Obwohl es heute viele gute Therapiemethoden für depressive Menschen gibt, gelten rund 30 bis 40 Prozent der Betroffenen als therapieresistent.» Das heisst, Antidepressiva haben bei ihnen nicht die erwünschte Wirkung erzielt. Gemeinsam mit Sebastian Olbrich und mit Franz Vollenweider forscht er intensiv an neuen, innovativen Ansätzen – unter anderem auch am Einsatz der «Magic Mushrooms». Mittlerweile konnte in mehreren Studien nachgewiesen werden, dass Psilocybin in der Behandlung wirksam und sicher ist. «Seit letztem Sommer bieten wir die Therapie bei sorgfältig ausgewählten Patientinnen und Patienten an.»
Eine Therapie läuft folgendermassen ab: Nach einem ausführlichen Vorgespräch und der Klärung der Eignung wird eine Ausnahmebewilligung beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) eingeholt. Die Patientin oder der Patient nimmt dann eine kontrollierte einmalige Dosis Psilocybin in einem sicheren und angenehmen Setting ein und wird vorher und nachher psychotherapeutisch begleitet. Das Ziel: Chronisch rigide Denkmuster lockern, neue Blickwinkel und Verhaltensmuster lernen und so die Stimmung verbessern. Die Psychiatrische Universitätsklinik hat umfangreiche Sicherheitsprotokolle und Behandlungsrichtlinien entwickelt, um die bestmögliche Betreuung und Unterstützung sowie die Qualitätssicherung zu gewährleisten.
Die Patientin nimmt Psilocybin in einem sicheren, angenehmen Setting ein und wird psychotherapeutisch begleitet.
5 Fragen an Johannes Jungwirth, Oberarzt:
«In der Therapie kann die Patientin rigide Denkmuster lockern»
Herr Jungwirth, für welche Patientinnen und Patienten kommt eine Behandlung mit Psilocybin in Betracht?
Die Behandlung mit Psilocybin eignet sich für Patientinnen und Patienten, die an einer schwer-behandelbaren bzw. therapie-resistenten Depression leiden. Das bedeutet, dass mindestens zwei Antidepressiva keine ausreichende Verbesserung gebracht haben. Menschen mit Psychosen oder manischen Episoden in der Vergangenheit eignen sich nicht. Ausserdem ist eine ambulante psychotherapeutische Behandlung wichtig, damit die neuen Erfahrungen und Erkenntnisse zusätzlich genutzt werden können.
Was gilt es bei dieser Therapieform zu beachten?
Es handelt sich nicht um eine Wunderbehandlung, denn der Wirkstoff kann nicht heilen, er kann aber einen Prozess anregen. Die veränderten Bewusstseinszustände, die durch das Psilocybin ausgelöst werden, sind kein Zuckerschlecken. Meistens werden die Sitzungen als wichtig und tiefgründig, teilweise wunderschön, aber auch als sehr anstrengend empfunden.
Welche Erfahrungen haben Sie bereits gemacht?
Wir haben seit Sommer gesehen, dass jede Behandlung individuell ist. Ein Schema X führt schnell an Grenzen. Jeder Mensch ist anders und das macht auch die Behandlung weniger leicht skalierbar als möglicherweise bei anderen Methoden. Unsere bisher behandelten Patientinnen und Patienten haben von der Behandlung sehr gut profitiert.
Wieso ist es wichtig, dass die Einnahme von Psilocybin psychotherapeutisch begleitet wird?
Die Frage der psychotherapeutischen Begleitung ist im Moment eine ungeklärte Debatte in der Forschung. Hier ist zu beachten, dass die bisherigen Studien typischerweise eine kurze psychotherapeutische Begleitung beinhalteten. Diese psychologische Unterstützung ist wichtig, damit die Erfahrung für die Patienten angenehm ist. Wir sprechen von guter Vorbereitung und «Set und Setting» . Ausserdem sind Abwehrmechanismen wie z.B. Verdrängung während der Substanzerfahrung weniger ausgeprägt. Das führt dazu, dass Patienten mit Themen, Gedanken und Gefühlen konfrontiert werden, die sie im Alltag nicht erleben oder vermeiden. Es ist wichtig, dass man die Patienten damit nicht alleine lässt und diese neuen Erlebnisse nutzbar macht. Ein Aspekt der Therapie ist die Akzeptanz von unangenehmen Gefühlen und biographischen Konflikten. Wenn wir sie nicht wahrhaben wollen, lassen sie uns manchmal auch nicht weiterkommen. Die Substanz fördert die Veränderungsfähigkeit des Gehirns – diese kann unter anderem in Gesprächen für eine positive und aktive Veränderung verwendet werden.
Was dürfen wir von Ihnen erwarten?
Prof. Franz Vollenweider, PD Katrin Preller und ich publizieren demnächst eine tolle Studie über die Veränderung der Empathie nach Psilocybin-Behandlung. Ausserdem darf ich mit Prof. Sebastian Olbrich für die Second-Opinion Sprechstunde arbeiten und dort gewinnen wir mit unseren innovativen Therapiemethoden jeden Tag viele Daten. Wir haben spannende Forschungsprojekte geplant. Ein Austausch findet vor allem mit den Gruppen statt, die zur Depression und veränderten Bewusstseinszuständen forschen.
Fundierte Forschung
Eine der aktuellsten Studien wurde in der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich durchgeführt und in der renommierten Fachzeitschrift «The Lancet» veröffentlicht (von Rotz et al. 2023). Von den teilnehmenden Patientinnen und Patienten zeigten mehr als die Hälfte nach einmaliger Behandlung keine Depression mehr.