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Wie geht es den Jugendlichen in der Schweiz? Eine neue Studie zeigt: Viele fühlen sich wohl, doch Schulstress und Zukunftssorgen setzen ihnen zu. Soziale Medien sind weniger belastend als gedacht, intensive Nutzung kann aber Risiken bergen. Auffällig ist: Mädchen suchen häufiger Hilfe, während Jungen auf andere Strategien setzen. Weshalb Eltern dabei eine entscheidende Rolle spielen, erklären Susanne Walitza und Anna Werling.

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Interview: Marita Fuchs

Susanne Walitza, wie geht es den Jugendlichen in der Schweiz?

Die Lebenssituation von Jugendlichen in der Schweiz ist in vielerlei Hinsicht positiv. 88 % geben in der Befragung an, sich psychisch wohl zu fühlen. Bei der physischen Gesundheit sind es 94 %. Trotz dieser hohen Werte geben 30 % aber auch an, sich häufig müde und erschöpft zu fühlen. Zu den Faktoren, die am stärksten zum empfundenen Stress beitragen, gehören Schul- und Ausbildungsstress, der allgemeine Leistungsdruck, die Sorge, zu wenig Geld zu haben, sowie Sorgen um die berufliche Zukunft. Stress durch soziale Medien scheint für lediglich 15 % ein grosses Problem zu sein.

Anna Werling, wird demnach der Stress durch soziale Medien überbewertet?

Entgegen der häufigen Annahme, dass junge Menschen generell durch soziale Medien gestresst sind, berichtete die Hälfte der Befragten (52 %) in unserer Studie, sich selten bzw. nie durch soziale Medien gestresst zu fühlen. Allerdings gab mehr als jede und jeder dritte Teilnehmende (35 %) an, zumindest manchmal von sozialen Medien gestresst zu sein. Andere Studien weisen darauf hin, dass eine intensive Nutzung von sozialen Medien die Entwicklung von psychischen Störungen begünstigen bzw. deren Verlauf verschlechtern können. Der Stress durch soziale Medien wird nicht überbewertet, aber trifft nicht alle junge Menschen gleich.

Wie viele der befragten jungen Menschen waren in psychotherapeutischer Behandlung?

Susanne Walitza: 12 % der Teilnehmenden. Rund ein Drittel der Befragten hat bereits Therapieerfahrung. Sie haben professionelle Hilfe in Form einer Psychotherapie (28 %) oder einer psychosozialen Beratung (7 %) in Anspruch genommen.

Anna Werling, wie ist die Therapieerfahrung einzuordnen, was genau wird von den Jugendlichen angegeben? Gehören dazu zum Beispiel Gespräche mit dem Schulpsychologen?

Im Vergleich zu männlichen Befragten gaben Mädchen und junge Frauen deutlich häufiger an, in der Vergangenheit (33 versus 22 %) bzw. aktuell (16 versus 8 %) in professioneller Behandlung zu sein, das heisst Unterstützung bei Psychologen bzw. Psychiatern zu suchen. Vermutlich haben sie darunter auch Schulpsychologinnen und -psychologen verstanden, da die Zahl recht hoch ist. Dennoch weist es auch darauf hin, dass es Mädchen und jungen Frauen schlechter zu gehen scheint oder dass sie andere Copingstrategien haben, mit Krisen umzugehen, das heisst aktiv Hilfe und Gespräche suchen.

Zeigten sich weitere Unterschiede zwischen den Geschlechtern?

Susanne Waltiza: 36 % der Mädchen und jungen Frauen gaben an, dass sie sich oft müde und erschöpft fühlen im Gegensatz zu 21 % der männlichen Teilnehmenden. Rund ein Viertel der befragten Mädchen und Frauen betonen vom Weltgeschehen besonders belastet zu sein. Jungen und junge Männer machen sich im Vergleich zu weiblichen Gleichaltrigen etwas weniger Sorgen. Ungerechtigkeit in der Welt und Rassismus zum Beispiel beschäftigen weibliche Teilnehmende etwas stärker als männliche.

Welches Ergebnis hat Sie besonders überrascht?

Susanne Walitza: Wie wichtig für die Jugendlichen die Beziehung zu den Eltern ist. Ist das Verhältnis gut, stärkt es die Jugendlichen. Eltern sind wichtige Ankerpunkte.

«Wir freuen uns, dass der Kantonsrat, mit einem weiteren grossen Massnahmenpaket in die psychische Gesundheit von Jugendlichen investiert»

Wo sehen Sie Handlungsbedarf?

Susanne Walitza: Die Gesellschaft kann den Anstieg psychischer Probleme bei Jugendlichen verringern, indem sie ein unterstützendes, integratives und auf Prävention ausgerichtetes Umfeld schafft. Die Gesellschaft und das Gesundheitssystem müssen weiter an einer flächendeckenden Unterstützung, besseren Präventionsmassnahmen und einem gesunden Umgang mit digitalen Medien arbeiten, um sicherzustellen, dass alle Jugendlichen die Hilfe und Ressourcen erhalten, die sie benötigen.

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Pro Juventute Jugendstudie 2024

Die schweizweite, repräsentative Studie wurde von der Forschungsgruppe Public Mental Health in Zusammenarbeit mit der Stiftung Pro Juventute durchgeführt. Unter der Leitung von Prof. Susanne Walitza, Dr. Anna Werling und Prof. Renate Drechsler wurden Jugendliche zu Stress, Krisenbewältigung, Mediennutzung und Resilienz befragt. Die Ergebnisse zeigen deutliche Geschlechterunterschiede und die zentrale Rolle der Eltern für das Wohlbefinden. Mitte Januar 2025 beschloss der Zürcher Kantonsrat, verstärkt in die psychische Gesundheit von Jugendlichen zu investieren.

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